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Lobenstein / 793 91 Úvalno

Hans-Kudlich Warte in Lobenstein
Hans-Kudlich Warte in Lobenstein

Lage von LobensteinUm das Andenken an den Bauernbefreier Hans Kudlich im Volk in steter Erinnerung zu halten, hatte sich ein Komitee mit Sitz in Troppau gebildet. Dieses Komitee wollte dem Bauernbefreier auf dem Wachberg bei Lobenstein ein würdiges Denkmal errichten, ein Denkmal, das den Verdiensten Kudlichs um die Bauernschaft in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie entsprach. Die ersten Entwürfe für eine Warte wurden bereits kurz nach 1900 angefertigt. Da der Bau aus Spenden und durch den Verkauf von Kudlich-Postkarten, -Briefverschlussmarken, -Bildern und –Büsten finanziert werden sollte, verstrichen mehr als 10 Jahre, bis an eine Realisierung des Vorhabens gedacht werden konnte. Zusätzlich war es erforderlich, die aufwändig gestalteten Entwürfe etwas zu vereinfachen, damit das angestrebte Ergebnis mit den vorhandenen finanziellen Mitteln verwirklicht werden konnte. Letztendlich wurde die Warte als Aussichtsturm nach den Plänen des Architekten Oskar von Felgel vom Baumeister Lundwall aus Troppau mit einem Kostenaufwand von 28.000,00 Kronen gebaut. Am 21. September 1913 wurde die 21,5 m hohe Warte eröffnet, wobei sie gleichzeitig im Rahmen dieser großen Feierlichkeiten der Gemeinde Lobenstein in Obhut übergeben wurde. Die Zahl der Festteilnehmer soll 8000 erreicht haben, von denen viele aus anderen Kronländern, insbesondere aus dem nördlichen Mähren erschienen waren. Als Vertreter des 90 Jahre alten Hans Kudlich war dessen Sohn Dr. med. Wilhelm-Tell Kudlich mit Frau und Tochter aus Amerika angereist. Von der Verwandtschaft nahmen am Fest teil: die noch lebende Schwester Franziska aus Lobenstein, Dr. Walther Kudlich, Bürgermeister und Landtagsabgeordneter von Troppau, Hans Kudlich, Reichs- und Landtagsabgeordneter aus Lobenstein und Dr. Hermann Krommer, Advokat und Vizebürgermeister in Troppau. Auffällig, ja befremdend war vielen Teilnehmern, dass anlässlich einer Feier einer Errungenschaft von so eminent agrarwirtschaftlicher Bedeutung, wie die Aufhebung der Robot es war, Mitglieder der Regierung vollständig fernblieben.

Der feierliche Akt der Übergabe geschah durch den Obmann des Komitees J. Krebs, Erbrichtereibesitzer in Schwansdorf, an den Bürgermeister von Lobenstein, Josef Loserth. Die Festrede hielt der Abgeordnete und Sekretär des deutschen Agrarierverbandes von Böhmen, Krepek. Diese Rede hinterließ bei den Zuhörern einen tiefen Eindruck. Unter brausendem Beifall ergriff hierauf Dr. med. Wilhelm-Tell Kudlich das Wort, um im Namen seines Vaters für die Ehrungen zu danken.

Der Widmungstext über dem Eingang zur Warte lautete: " Dr. Hans Kudlich-Warte – Robot-Befreiungs-Denkmal - errichtet 1913".

Gedenkstätte von Hans-KudlichIm August 1924 wurde begonnen, den Aussichtsturm umzubauen mit dem Ziel, den Eingangsraum des Turmes in ein Mausoleum, in einen Urnensaal, umzugestalten. Zu diesem Zweck war es erforderlich, an der westlichen Außenwand des Turmes eine Treppe anzubauen, um einen neuen Eingang zum Aussichtsturm herzustellen. Der ursprüngliche Eingangsraum wurde anschließend geändert, indem eine Nische als Stellplatz für die Urnen in die nördliche Wand eingefügt wurde und indem alle Innenwände mit Marmor ausgekleidet wurden. Gleichzeitig verdeckten Marmorplatten zu einem großen Teil die beiden seitlichen Fenster und so sorgte man für indirektes Licht, für eine feierliche Stimmung im Raum. Am 11. Oktober 1925 konnten dann die Urnen von Hans Kudlich und die seiner Frau Luise feierlich in einer Urne aus Marmor im Mausoleum beigesetzt werden. Der Widmungstext auf dem Sockel des steinernen Urnenbehälters lautete: "Das deutsche Landvolk seinem Befreier – 1848".

Nach dem Ersten Weltkrieg war die Hans-Kudlich-Warte in Lobenstein von den Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz der Republik vom 19. März 1923, Nr. 50/1923, nicht betroffen. Im § 26 des genannten Gesetzes der jungen Tschechoslowakischen Republik waren Denkmäler, Inschriften, Büsten etc., die an Mitglieder der Dynastien erinnerten, die in Österreich, in Ungarn, in Österreich-Ungarn oder im Deutschen Reich geherrscht hatten, als staatsfeindlich bezeichnet und mussten entfernt werden.

1923 wurde auch in Lobenstein der 100. Geburtstag Hans Kudlichs groß gefeiert. In seinem 29. Koppenbrief schreibt Viktor Heeger aus Gräfenberg als Festteilnehmer über die wohltuende liberale Stimmung. "In Lobenstein grüßten uns sogar schwarzrotgelbe Fahnen. Wir Freiwaldauer Zwangspatrioten glaubten, dass wir versehentlich nach Deutschösterreich oder Deutschland geraten seien. … oben (am Wachberg) freimütige Ansprachen, und nirgends ein Gendarm oder Regierungsvertreter. … Wer an dieser Feier teilnahm, hat gewiss den Eindruck gewonnen, dass diese kraftvolle Schonung des nationalen und freiheitlichen Empfindens der Festgäste eine viel, viel wirksamere Reklame für den Staat war als die Freiwaldauer Methode."

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg änderten sich die Gegebenheiten erheblich, denen die Warte ausgesetzt war.

Einerseits wurde auf Veranlassung staatlicher Behörden der marmorne Urnenbehälter aus dem Urnensaal entfernt und auf eine Grabstelle der Familie Kudlich im Lobensteiner Friedhof gestellt. Dies hatte den Vorteil, dass der Urnenbehälter so platziert war, dass er in gewissem Maß geschützt war und dass er vor allen Dingen für ausländische Besucher, besonders für auswärtige Delegationen einfacher (und an einem bescheideneren Ort) für Kranzniederlegungen gut erreichbar war. Es standen immerhin folgende Gedenktage an: Im Jahr 1948, das 100-jährige Gedenken der Revolution von 1848 und im Jahr 1967 der 50. Todestag des Bauernbefreiers. So legten anlässlich des 50. Todestages für den Niederösterreichischen Bauernbund einen Kranz in Úvalno/ČSSR nieder: Bauernbundobmann Präsident Scheibenreif, Bauernbundobmannstellvertreter Landeshauptmann Maurer und Bauernbunddirektor Landtagsabgeordneter Dipl.-Ing. Robl.

Andererseits kam, nachdem aus dem Urnensaal der Urnenbehälter entfernt war, während des kommunistischen Regimes die Gemeinde ihrer Obhutpflicht nicht mehr nach. Zeitweise war der Turm zu jeder Tages- und Nachtzeit für jedermann zugänglich. Nicht allein Spaziergänger besuchten wegen der guten Aussicht das Bauwerk, auch Vandalen nutzten die Gelegenheit und trieben ihr Unwesen. Die größten Schäden entstanden jedoch im Laufe der Zeit durch ungehindert eindringendes Wasser und durch Frost. Die Schäden am Bauwerk waren bereits Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts so gravierend, dass Baufachleute die Statik des Bauwerkes infrage stellten und gar eine Schließung und einen baldigen Abriss zum Schutze der Allgemeinheit empfahlen.

Praktisch im letzten Augenblick konnte der Verein "Freundeskreis Bauernbefreier HANS KUDLICH e.V." in engem Zusammenwirken mit der Gemeinde Úvalno die Finanzierung der Reparaturmaßnahme sichern und so das Denkmal vor dem bevorstehenden Verfall retten. Die Federführung von Ort lag bei der Gemeinde Úvalno. Die Hauptmaßnahmen waren:

•    Im oberen Bereich des Turmes wurden horizontale Zuganker eingebaut, damit ein Auseinanderbrechen des Bauwerkes verhindert ist.
•    Die Ziegelwand an der Nordseite wurde bis zu 20 cm stark ergänzt.
•    Die vorgesetzte Granitwand wurde mit einem Betonfundament unterfangen.
•    Die abgeplatzte Granitwand der Nordseite wurde mittels Injektionstechnik neu befestigt.
•    Von den zwölf Wasserspeiern konnten nur zwei repariert, die restlichen zehn mussten neu erstellt werden.
•    Die Türen wurden repariert, bzw. unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten erneuert.
•    Alle Treppen, einschließlich der Wendeltreppe, wurden instandgesetzt.
•    Fenster und Fensterrahmen wurden repariert oder erneuert.
•    Die Außentreppe an der Westseite wurde neu gelagert und saniert.
•    Der Urnenraum wurde unter Beachtung denkmalpflegerischer Gesichtspunkte wieder hergestellt.

Die Sanierungsmaßnahme am Turm wurde vom 25.04.2000 bis 25.08.2000 durchgeführt, das Mausoleum war kurz darauf am 15.09.2000 fertig gestellt. Nur noch die üblichen Feinarbeiten und die Außengestaltung waren zu erledigen. Der festgelegte Kostenrahmen konnte eingehalten werden, der Aufwand betrug 140.000,00 DM für den Turm und 17.000,00 DM für das Mausoleum, also eine Gesamtsumme von 157.000,00 DM. Dieser Betrag wurde aufgebracht durch:

•    Den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds                          70.000,00 DM
•    Die Gemeinde Úvalno                                                            35.000,00 DM
•    Den Freundeskreis Bauernbefreier HANS KUDLICH e.V.        52.000,00 DM

Am Sonntag, den 1. Oktober 2000, konnte die renovierte Hans-Kudlich-Warte wieder eröffnet werden; d.h.: der steinerne Urnenbehälter stand wieder im Mausoleum und der Aussichtsturm war für Besucher sicher zugänglich –gegen ein kleines Entgelt. Für diese Feier hatten sich Teilnehmer angemeldet, die aus Deutschland, aus Kärnten, Wien und aus Niederösterreich im Bus oder mit dem Auto anreisen wollten. Auch Bewohner der Gemeinde Úvalno und der Umgebung nahmen zahlreich an der Feier teil. Es überrascht daher nicht, dass ca. 400 Gäste beim Festzug und ca. 600 Gäste in der offiziellen Wiedereröffnungsfeier gezählt wurden, eine Zahl, die sich am Nachmittag durch weitere interessierte Besucher auf gut 1000 erhöhte. Diese Zahl übertraf zwar nicht die überlieferte Anzahl der Festteilnehmer von 8000 bei der Eröffnungsfeier im Jahr 1913, doch sie übertraf jede Erwartung der Organisatoren.

Es wurde wiederholt die Frage gestellt: "Wo sind die Urnen mit der Asche von Hans Kudlich und seiner Frau Luise verblieben?" Diese Frage ist begründet, denn der marmorne Urnenbehälter auf dem Friedhof war zumindest bis 1995 unverschlossen und vor allen Dingen leer. Wie dies alles im Einzelnen genau abgelaufen ist, bleibt vermutlich für immer im Dunkeln, aber wenigstens teilweise kann die Frage beantwortet werden: Der Pfarrer der Gemeinde Úvalno, Vlcek, erzählte nämlich, dass ihm die Asche der Deutschen Sorgen gemacht habe. Er hat offensichtlich alles, was sich noch im offenen Urnenbehälter befand, vor 1960 entnommen und im Pfarrhaus aufbewahrt. Kurz vor seinem Tode legte er den von ihm aufbewahrten Rest zurück und ließ den Urnenbehälter mit dem Deckel mittels Betonkleber wieder fest verschließen. So ist es erklärbar, dass bei der Öffnung des Urnenbehälters am 29.06.2000 unter Aufsicht des Notars aus Krnov/Jägerndorf die beschädigte Urne von Luise Kudlich und lose Asche gefunden wurden. Diese Asche wurde in eine neue Urne gefüllt und befindet sich im renovierten Urnenbehälter im Mausoleum.

Angemerkt werden muss: Die Gemeinde Úvalno erfüllt nun ihre Obhutpflicht in vorbildlicher Weise.

Die Öffnungszeiten der Warte sind auf der Homepage der Gemeinde Úvalno ausgewiesen - für angemeldete Besucher, besonders für angemeldete Besuchergruppen, wird die Warte jedoch fast zu jeder Zeit zugänglich gemacht.

GPS-Ort des Denkmals: N50°3'1.785" E17°43'59.797"

Die eingerüstete Warte am 29.05.2000
Die eingerüstete Warte am 29.05.2000
Hans-Kudlich-Warte am Tag der Wiedereröffnung
Hans-Kudlich-Warte am Tag der Wiedereröffnung
Mausoleum am Tag der Wiedereröffnung 01.10.2000
Mausoleum am Tag der Wiedereröffnung 01.10.2000

Diese Seite wurde angelegt am 18.08.2011. Letzte Aktualisierung: 03.02.2014

 

Quellen:

  • Kudlich, Jörg: Kudlich-Denkmäler und Gedenkstätten im Sudetenland und in Niederösterreich. In: Stangler, Gottfried (Hrsg.): Hans Kudlich und die Bauernbefreiung in Niederösterreich (Sonderausstellung im NÖ Landhaus 17. Mai - 22. Juni 1983). Wien 1983, S. 146-149.
  • Schulig, Heinrich: Ein Heimatbuch für die Bezirke Jägerndorf und Olbersdorf. Troppau 1923, S. 597-599.
  • Heeger, Viktor: 29. Koppenbrief. In: König, Josef Walter (Hrsg.): Koppenbriefe. Inning 1960, S. 68-71.
  • Deutsche Post, 13.10.1925, S.2: Hans Kudlich ruht in deutscher Heimaterde.

Bildnachweis:

  • Historisches Foto Hans-Kudlich-Warte. Aus der Sammlung von Josef Lichtblau.
  • Historisches Foto eines Mausoleums. Aus der Sammlung von Jörg Kudlich.
  • Foto eines eingerüsteten Aussichtsturmes, 2000. Foto der renovierten Hans-Kudlich-Warte, 2000. Foto eines steinernen Urnenbehälters, 2000. Walter Kudlich.