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Soziale Lage der Landbevölkerung vor 1848

Um die Befreiung der Bauern durch Hans Kudlich zu verstehen und um sie in die Geschichte einordnen zu können, ist ein gewisses Maß an Wissen über die soziale Lage der Landbevölkerung vor dem Revolutionsjahr 1848 erforderlich.

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts lebte die Landbevölkerung in persönlicher Unfreiheit. Unfrei war das Landvolk wegen der bestehenden Untertänigkeit, die teilweise sogar als Leibeigenschaft einzustufen war, und wegen der Erbuntertänigkeit.

In ganz Europa war die Situation praktisch gleich, sie unterschied sich im Prinzip nicht zu der in Österreich, auch wenn innerhalb der österreichischen Länder große Unterschiede vorhanden waren. In Nordtirol und in den gebirgigen Gegenden Vorarlbergs hatten die Bauern viele Freiheiten und fast keine Leibeigenschaft, ganz im Gegensatz zu anderen Ländern der Monarchie.

Zur Untertänigkeit bzw. Leibeigenschaft:

  • Der Untertan hatte keine Persönlichkeitsrechte. Verlangt wurde Treue und absolute Gehorsamkeit.
  • Der Untertan konnte nur mit Genehmigung des Grundherrn einen Beruf erlernen, seinen Wohnort wechseln oder heiraten.
  • Auch die wiederholt erlassenen scharfen Auswanderungsverbote sprechen eine deutliche Sprache.
  • Die Grundherren hatten die volle Gewalt über ihre Bauern, da eine gerichtliche Instanz praktisch nicht bestand. Der "Herr" hatte außer der Niederen Gerichtsbarkeit sogar das Recht, den in seinen Augen ungehorsamen Untertanen nach seinem eigenen Ermessen zu bestrafen.

Zur Erbuntertänigkeit:

Eigentümer des Grundes war die Kirche, der Adel oder Hochadel, denen der König, der ursprünglich alles Land besaß, das Land übertragen hatte. Diese Großgrundbesitzer verliehen ihrerseits das Land wiederum an untertänige Bauern, die dafür Abgaben leisten mussten. Grund und Boden, sowie Haus und Hof blieben weiterhin im Eigentum des Großgrundbesitzers. Der Bauer konnte auch jederzeit „abgestiftet“, d.h. gekündigt werden, besonders wenn er seinen Verpflichtungen gegenüber dem Großgrundbesitzer nicht pünktlich nachkam. Ansonsten konnte der Bauer auf Lebenszeit auf dem Hof bleiben, doch seine Nachkommen hatten keinen Rechtsanspruch auf eine Nachfolge.

Um eine Vererbbarkeit zu erreichen, konnte im Laufe der Zeit der Bauer seinen Hof gegen Geld dem Großgrundbesitzer abkaufen. Dadurch entstand ein bedingter Rechtsanspruch, den Hof mit Zustimmung des Grundherrn an Nachkommen weiterzugeben oder zu verkaufen. Bei jedem Besitzwechsel war jedoch weiterhin ein Drittel des Schätzwertes an den Grundherrn zu bezahlen.

  • Im herrschaftlichen Grundbuch, Urbar genannt, war genau verzeichnet, wann, was und wie viel jeder Hof an Naturalien und an Geld an die Grundherrschaft zu leisten hatte. Der Bauer hatte diese Abgaben in den Herrenhof zu bringen, er hatte eine Bringschuld.
  • Die bekannteste Abgabe war der Zehent. Zehent bedeutete den zehnten Teil der Ernte. Der Zehent war anfangs eine rein kirchliche Abgabe, von welcher der Pfarrer 1/3 und der Bischof 2/3 erhielt. Der Kaplan, der Mesner und der Schulmeister hatten vielfach noch das Recht, nach der Ernte von den Untertanen einen kleinen Teil einzusammeln.
  • Der Bauer musste auch Kleinrechte oder Kucheldienste bedienen, das waren Abgaben von Kleintieren und tierischen Produkten, die direkt an die Küche des Grundherrn geliefert werden mussten.
  • Mit der Erbuntertänigkeit verbunden war auch die sogenannte Robot (Frondienst), das sind Hand- und Spanndienste. Die Grundherren brauchten ihrerseits für die Bewirtschaftung der eigenen großen landwirtschaftlichen Flächen die unentgeltliche Arbeitskraft des untertänigen Bauern. Diese Dienstleistung gehörte zu den schwersten Belastungen eines Bauernhofes. Im Frühjahr waren die Äcker der Herrschaft zu bestellen, im Sommer musste gemäht und im Herbst die Ernte eingebracht werden; immer zu Zeiten, wenn der Bauer selbst auf seinen Feldern viel zu tun hatte.

Geschichtliche Entwicklung in Österreich:

Im Mittelalter war die Arbeitsleistung der Bauern für den Grundbesitzer noch relativ gering, doch sie stieg im Verlauf des 17.Jahrhunderts rasch an. Diese Entwicklung war auch in den böhmischen Ländern vorhanden, aber der entscheidende Umschwung, der zur Bildung großen Güter führte, lag im jähen Wandel der politischen Verhältnisse durch die Schlacht am Weißen Berg im Jahr 1620. Der Sieg des Kaisers über die böhmischen Stände hatte eine vollständige Verschiebung in der Schichtung des Adels und eine förmliche Revolution der Verteilung des Großgrundbesitzes zur Folge. Ein bedeutender Teil des heimischen Adels wurde vertrieben, wogegen kaisertreue Adelige gleichsam über Nacht ungeheuren Grundbesitz zugeteilt bekamen. Dieser neuböhmische Adel versuchte vor allem durch eine scharfe Erhöhung der Robot die Folgen der eingetretenen Geldentwertung wettzumachen.

Dem absolutistischen Staat selbst kam es ursprünglich nur darauf an, Steuern zu erhalten. Besteuertes Objekt war jedoch nur das Bauernland, während das Herrenland nach ständischem Recht Steuerfreiheit genoss. So musste der Staat dafür sorgen, dass die seit dem 17.Jahrhundert in den Steuerrollen verzeichneten Bauerngründe ihre Steuerbarkeit behielten, gleichgültig, ob der Besitzer ein steuerpflichtiger Bauer oder ein steuerfreier Grundherr war. Auch für gelegte Bauernstellen, also für Bauernstellen, die der Grundherr in seinen eigenen Wirtschaftsbetrieb eingegliedert hatte, sollte Steuer abgeführt werden. Faktisch jedoch wirkte sich dies so aus, dass der Grundherr aus seiner obrigkeitlichen Stellung heraus die zu seinen Lasten anfallenden Pflichtzahlungen auf die verbleibenden Bauernstellen abwälzte. Hinzu kam ein Weiteres. Jede Vergrößerung des Herrenlandes brachte für die Bauern nicht nur die Erhöhung der Steuerquote, sondern auch eine Steigerung der Robotpflichten zur Bearbeitung des vergrößerten Herrenbesitzes. Die Steigerung der Robotpflichten minderte wiederum die Arbeitskraft der Bauern für die eigenen Gründe und beeinträchtigte indirekt das Steueraufkommen.

Die großen Bauernaufstände in Böhmen (1680), die auf Mähren, Schlesien und Oberösterreich überzugreifen drohten, wurden vom Kaiser energisch mit militärischer Gewalt unterdrückt. Um die anstehende Frage zu lösen, erließ der Kaiser ein Robotpatent. Die wichtigsten Bestimmungen waren: die Frondienste sollten auf höchstens drei Tage pro Woche herabgesetzt und die Sonn- und Feiertagsrobot sollte abgeschafft werden. Verboten wurde: willkürliche Erhöhung der Zinsleistungen, der Zwang zum Kauf obrigkeitlicher Erzeugnisse, grausame Strafen, Sondersteuern, sowie Beiträge zur Besoldung der herrschaftlichen Beamten. Doch leider war das Patent mit keinen Strafandrohungen für den Fall der Nichteinhaltung verknüpft, es war daher wirkungslos.
 
Erst mit der Heranbildung eines staatstreuen Beamtentums seit Maria Theresia (1717-1780) tritt eine Wandlung ein, die über die reinen fiskalischen Interessen des Staates auch eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die Bauern erbrachte. Das Untertanenpatent von Kaiser Joseph II. (1741-1790) schließlich, das sogenannte „Leibeigenschaft-Aufhebungspatent“ vom 01.11.1781 sollte -gegen den erklärten Willen des Adels- die Lage der Bauern verbessern. Doch auch mit diesem Gesetz hatten die Bauern weiterhin das Gefühl der Abhängigkeit, denn sie mussten auch danach der Obrigkeit anzeigen, wenn sie sich verheiraten, einen Beruf erlernen oder den Wohnsitz wechseln wollten.

Soziale Situation in Lobenstein, im Geburtsort von Hans Kudlich

Lobenstein war ein Bauerndorf im Kronland Österreichisch-Schlesien, es lag an der Oppa, am Grenzfluss zur preußischen Provinz Schlesien.

Es wäre falsch anzunehmen, dass alle robotpflichtigen Bauern dieser Zeit grundsätzlich materiell verarmt waren. In Lobenstein gab es eine ganze Reihe Familien mit Besitzstand und so fanden auch zahlreiche Bauernsöhne über das Troppauer Gymnasium den Weg in höhere Schichten. Aus Lobenstein, das das „lateinische Dorf“ genannt wurde, entstammen von 1800 bis 1840 immerhin ein Kreishauptmann, ein Hauptmann, zehn Priester, sechs Juristen und acht Ärzte. Doch nicht allein der materielle Besitzstand ebnete den Weg in die höhere Schule, sondern auch das Bestreben des damaligen Dorfpfarrers, der für zahlreichen Priesternachwuchs sorgen wollte.

 

Diese Seite wurde angelegt am 05.03.2012.


Quellen: